Fotograf im Piss-Storm: Warum es beim Urheberrecht nicht nur ums Geld geht

Ich bin ein absoluter Gegner von Abmahnungen. Es gibt Menschen in diesem Land, die ein „Nein, das geht Sie nichts an“ nicht akzeptieren, wenn man ihnen nicht alle E-Mail-Accounts aushändigen will, weil man ihnen damit Zugriff auf Interna des Arbeitgebers, Post von Freunden, Familie und Lebenspartnerin sowie alle Online-Accounts wie Paypal, Ebay und Amazon und damit direkten Durchgriff aufs Gehaltskonto gäbe. Deshalb „Unverschämtheit, Schmarotzer, Trittbrettfahrer“ plärren und mit einer halben Million Streitwert vor Gericht gehen. Und es gibt Gerichte, die solchen Machtmißbrauch auch noch toll finden und für diese Leute entscheiden. Mir half Protest nicht – stattdessen hatte ich beruflich und privat nun über ein Jahrzehnt einen Ärger nach dem anderen. Das nur vorab als Gegenargument zur gern verwendeten These, daß es jemand helfe, wenn er durch so eine Keilerei bekannt werde.

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Bekannt wurde so nun unfreiwillig der Fotograf Martin Langer. Wurde in nächtlichen Anrufen beschimpft, ebenso seine Tochter in der Schule. Weil einer jener unfehlbaren, mächtigen öffentlich-rechtlichen Wichtigtuer sich über eine Abmahnung geärgert hatte. Was war los?

Jan Böhmermann, Nachwuchs-Moderator bei ZDF Neo, der nun ins ZDF-Hauptprogramm will, hatte das bekannte Foto des Hitlergrüßers mit eingepinkelter Jogginghose von den Pogromen in Rostock-Lichtenhagen, das wie oben zu sehen vor wenigen Tagen auf der TAZ-Titelseite war, an die Schriftstellerin Sybille Berg getwittert, als diese in einem Tweet sinngemäß fragte, ob jemand anders auch noch eine Scheißlaune habe. Die zum Hitlergruß erhobene Hand sollte also ein „Ja, ich, hier!“ symbolisieren.

Das kann man witzig finden, muß man aber nicht. Es war eher ziemlich gedankenlos, schließlich hat sich Jan Böhmermann so ja mit dem abgebildeten Harald Ewert gleichgesetzt.

Außerdem hat er damit aber natürlich das Foto von Martin Langer in einer Weise benutzt, die der halt auch nicht lustig fand. Und dies, ohne Rechte an dem Foto zu haben.

Martin Langer ist kein Massenabmahner: Gegen Verwendung des Bilds in einem vernünftigen Zusammenhang geht er nicht vor, auch nicht auf Twitter und Facebook. Auch die TAZ-Titelseite wie oben zu sehen darf so gezeigt werden, wurde auch selbst von der TAZ in den sozialen Netzwerken verschickt.

Wenn er aber den Eindruck hat, jemand verharmlose, was damals geschehen sei, was er unter Lebensgefahr dokumentiert hat, mache sich darüber lustig, dann läßt er das ihm dafür zustehende Honorar eintreiben.

Also bekam Jan Böhmermann Post, zahlte auch. So weit, so gut. Aber nein:

Jan Böhmermann rief seine 150.000 Twitter-Follower zum Protest gegen Martin Langer auf! Und setzte noch einen drauf, indem er das Bild zusammen mit seinem Assistenten nachstellte – mit Stinkefinger statt Hitlergruß. Kommt etwas billiger. War aber zu feige, wenigstens selbst die nasse Hose anzuziehen, dafür mußte der Assistent herhalten. Und präsentierte sich als Rächer aller Abgemahnten.

Der Tweet an Sybille Berg war geschmacklos, aber das alleine wäre nicht so verdammenswürdig: Viele Comedians haben schonmal ins Klo gegriffen und bei einem schnellen Tweet wird leider nicht viel nachgedacht.

Dann aber so ein Faß gegen den Fotografen aufzumachen, das ist einfach unverschämt! Und so ein Bild nachzustellen, ist in dem Zusammenhang zwar nicht justiziabel, aber ebenfalls daneben. Würde Jan Böhmermann das etwa auch mit den bekannten Fotos aus dem Vietnam-Krieg machen???

Jan Böhmermann betont dabei, sich eigentlich darüber zu ärgern, daß ein Bekannter von ihm, der nicht so bekannt sei, ebenso zahlen mußte. Allerdings ist dessen Tweet nicht bekannt. Vermutlich war auch dieser nicht besonders geschmackvoll.

Jan Böhmermann wurde zuletzt eigentlich dadurch bekannt, daß er sich über Stefan Raab lustig gemacht hat. Raab ist auch Geschmackssache. Hatte auch schon Prozesse am Hals, weil er die Rechte anderer mißachtet hat. Doch Stefan Raab hat niemals nachgetreten, wenn er zu weit gegangen war und eins auf den Deckel bekommen hat. Das Format hat Böhmermann leider nicht. Er hat nur halbherzig zurückgerudert.

Das ZDF im Gegensatz zu anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dagegen schon: Es hat sich von Böhmermanns Aktion distanziert!

Ärgerlich ist allerdings, daß die meisten Böhmermann-Fans immer noch glauben, es sei Martin Langer bei der Abmahnung ums Geld gegangen. Nein, darum geht es eben nicht. Es geht darum, daß gerade dieses Symbolbild nicht für jeden Unsinn herhalten soll. Humorfrei ist Langer dabei absolut nicht, selbst Satirefreund, sonst hätte er ja der TAZ nicht obige Titelseite erlaubt. Wobei die TAZ selbstverständlich trotzdem für das Bild gezahlt hat.

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